Sven Doelle: „Es geht um Storytelling mit Bild und Text“

Jedes Unternehmen braucht ungleich mehr Content und nur Qualität setzt sich durch. CMO sprach mit Sven Doelle über den wachsenden Bedarf an Bildmaterial, die Zusammenarbeit zwischen Marketing und Kreativen und wie KI helfen kann, den Bedarf zu decken.

Sven Doelle: „Es geht um Storytelling mit Bild und Text“

Sven Doelle ist bei Adobe als Principal Business Development Manager für Adobe Stock und die Creative Cloud für Unternehmen verantwortlich. Bevor er zu Adobe kam, war der leidenschaftliche Fotograf bei der Kreativsoftware-Schmiede Macromedia für Webdesign-Tools verantwortlich. So steht für Doelle immer das Zusammenspiel beider Komponenten - Bild und digitaler Technologie - im Fokus. Genau darum soll es in unserem Gespräch gehen: Welches Potenzial schlummert für Marketer in guten Bildern und wie kann man in der heutigen schnellen Zeit immer mehr Kanäle mit den richtigen Bildern füttern.

CMO.com: Jedes Unternehmen, jede Marke muss heute eine Vielzahl digitaler Kanäle bespielen. Welche Rolle spielt dabei Content?

Doelle: Content bestimmt immer noch die Relevanz eines Posts, einer Nachricht, eines Beitrags. Content hat heute genau die gleiche Wichtigkeit wie früher, nur das Medium hat sich geändert. Historisch ist also alles gleichgeblieben, aber generell ist die Auswahl der Inhalte noch wichtiger geworden, denn nur hochwertiger Content setzt sich durch.

CMO.com: Viele Marken müssen täglich Kanäle wie Facebook, Instagram und YouTube mit frischen und hochwertigen Bildern füttern. Ist der Bedarf an Bildmaterial explodiert?

Doelle: Wir wissen schon lange durch empirische Erhebungen, dass Menschen Bilder schneller verarbeiten als Text. Also muss ich heute mit Bildern oder Bewegtbildern arbeiten. Eine Botschaft muss in einem „Blink of an eye“, also idealerweise innerhalb des berüchtigten Sekundenbruchteils, vermittelbar sein. Um die Relevanz herzustellen ist Qualität unablässig. Nicht nur der Bedarf, auch die Anforderungen an die Qualität ist deutlich gestiegen.

CMO.com: Wie können die Unternehmen da überhaupt Schritt halten?

Doelle: Früher hat man ein eigenes Bildarchiv aufgebaut oder selbst die Produktion gestartet. Das ist heute zu vielen allgemeinen Themen nicht mehr umsetzbar und schon gar nicht wirtschaftlich sinnvoll. Hier können Stockportale helfen, die sowohl qualitativ hochwertige als auch relevante Inhalte liefern können.

CMO.com: Stockbilder sind also salonfähig geworden?

Doelle: Das hat sich über die letzten Jahre sehr gut selbst reguliert, denn nur was gut ist, verkauft sich. Die Qualität ist verglichen mit den Anfängen der Microstock-Angebote immer besser geworden. Hinter den kuratierten Inhalten stehen heute Profis, teils sehr namhafte Fotografen. Und die erfolgreichsten davon sind die, die sehr hochwertigen und vor allem relevanten und zeitgemäßen Content produzieren.

CMO.com: Dem Marketer gibt das eigentlich mehr Freiheit, denn er muss nicht mehr für eine Kampagne ein Fotoshooting in Südafrika budgetieren, wenn es passende Bilder schon gibt -richtig?

Doelle: Wahrscheinlich wäre er gar nicht nach Südafrika gereist, sondern hätte entweder das Thema verändert oder den Post nicht gebracht. Ich habe also mehr Freiheiten in meiner Marketing-Kreativität. Es geht darum, welche Ideen ich mir als Marketer ausdenken kann.

CMO.com: Marketing ist heute immer mehr die Zusammenarbeit zwischen Kreativen und Marketing. Da spielt das auch mit hinein, oder?

Doelle: Es gab schon immer Texter in Unternehmen, die überlegt haben „Wie kommuniziere ich mit Sprache?“ Das ist bei Bildsprache noch wichtiger. Gerade in sozialen Kanälen geht es zum Beispiel darum, die Aufmerksamkeit der Nutzer einzufangen, heißt: Das muss Hand in Hand gehen. Der Marketer ist Experte in seinem Gebiet, aber kein Spezialist für Bildaufbau – das sind die Kreativen. Der Kreative ist für Marketer also so unabdingbar wie es früher nur der Texter war.

CMO.com: Gerade bei Kanälen wie Instagram spielt die visuelle Komponente die Hauptrolle im Kampf um die Aufmerksamkeit - und sie ist prägend fürs Design. Also haben Bilder an Bedeutung gewonnen?

Doelle: Ein Bild wird vom Gehirn ganz anders verarbeitet. Es kann ganz anders Emotionen wecken und ganz anders gespielt werden - nach dem Motto „Show me, don´t tell me“. Allerdings sind Bilder Darsteller und keine Erzähler. Das heißt: Ein gutes Bild funktioniert nur mit einem guten Text. Es geht also gar nicht um „Bild oder Text“, sondern um Storytelling mit beiden Komponenten.

CMO.com: Wir konsumieren das Bildmaterial oft auf kleinen Smartphone-Displays. Wird dadurch der Anspruch ans Bildmaterial noch höher?

Doelle: Ja, denn ich muss hochwertiger arbeiten. Auf einem 27 Zoll Monitor mit 4K-Auflösung liegt die Pixeldichte bei 163 ppi. Auf dem neuen iPhone XS ist die Pixeldichte 457 ppi. Die Auflösung auf den Smartphones ist in Bezug auf den Sichtabstand also tatsächlich viel höher als auf dem Desktop-Monitor. Deswegen kann man nicht sagen, ein „kleines Display muss anders dargestellt werden“. Aber: Bei der kleinen Anzeigegröße besteht dann natürlich die Gefahr, dass Details zu kleinteilig und weniger sichtbar werden. Daher lohnt es sich zu testen: Wie sieht das tatsächlich auf dem kleinen Monitor aus? Viele Unternehmen praktizieren „Mobile first“ und das ist gut so.Der letzte „We are Social“-Report von Hootsuite zeigt, dass Social Media vor allem auf Smartphones - diese machen inzwischen 75 Prozent aus – konsumiert wird. Und entgegen vieler Vermutungen muss ich dafür hochwertigeres Bildmaterial produzieren.

CMO.com: Wie gängig ist der Einsatz von Stock-Material im digitalen Storytelling?

Doelle: Im digitalen Storytelling ist es sehr gängig. Das ist auch ein Treiber, der die ganzen Microstock-Agenturen so erfolgreich gemacht hat. Es kann sich heute aus wirtschaftlichen, aber auch aus kreativen Gründen kein Unternehmen mehr erlauben, Inhalte regelmäßig und umfangreich zu spielen, ohne auf Stock zurückzugreifen.

CMO.com: Marketer tun sich bei Design-Entscheidungen oft schwer. Wie kann die Technologie helfen, bei Bildern fundierter zu entscheiden und so zum Beispiel das perfekte Bild für eine Kampagne zu finden?

Doelle: An erster Stelle steht immer die Zusammenarbeit zwischen Kreativen und Marketern. Mit künstlicher Intelligenz kann die Technologie an vielen Stellen helfen, die passenden Bildern zu Suchbegriffen zu finden. Wenn ich zum Beispiel weiß „hier brauche ich Platz für Text“ kann die Technik helfen, passende Bilder herauszusuchen, ohne dass ich später feststelle, dass ich zwar ein wunderschönes Bild habe, aber den Text nicht unterbekomme. KI kann bei Stockanbietern so etwas vorher untersuchen und filtern. Das heißt: Ich finde schneller und einfacher relevante Inhalte. Ein Katalog mit über hundert Millionen Assets nutzt mir nichts, wenn ich nichts finde.

CMO.com: Oft ist die Suche selbst schwer zu bedienen, Bildideen schwer mit Worten auszurücken.

Doelle: Eine Ähnlichkeitssuche nach Bildern, die ich schon habe, oder auch die explizite Suche nach einzelnen Bildelementen kann hier extrem hilfreich sein. Die KI hilft uns dort, wo wir entweder zu komplexe Aufgaben haben oder wo wir auch Dinge vergessen. Viele tolle Inhalte und Fotos sind in Stock-Katalogen gar nicht auffindbar, weil sie unpräzise oder unzureichend verschlagwortet worden sind. KI kann die Bilder noch einmal analysieren und erkennen, ob sie vielleicht eine höhere Relevanz in Bezug mit anderen Suchphrasen haben können. Manchmal denkt man als Anbieter beim Verschlagworten zu sehr „in a box“ – oder kann aus zeitlichen Gegebenheiten gar nicht die passenden Suchbegriffe mit einbringen.

CMO.com: Wohin geht die Reise mit KI und Bildsuche?

Doelle: Die Reise geht dahin, dass ich noch besser beschreiben kann, was ich eigentlich erwarte, was ich suche, was ich haben möchte. Zum Beispiel könnte ich eine Skizze hochladen, die zeigt, was ich sehen möchte oder einzelne Elemente bestimmt. Die KI kann die Elemente in Ergebnisbildern - oder auch in Videos finden.

CMO.com: Gutes Stichwort: Videos boomen im Marketing, sind aber noch aufwändiger und schwieriger zu finden als Bilder, richtig?

Doelle: Bei Videos geht es auch nochmal um ganz andere Dinge, wie „finde mir die Bilder mit der richtigen Bildwiederholfrequenz.“ Oder ich suche einen passenden Opener und der soll in einer bestimmten Brennweite gefilmt sein. Bei Greenscreen-Aufnahmen ist es zum Beispiel wichtig, dass die Bilder für die Hintergründe in den gleichen Parametern gefilmt sind. Oder es geht um schnelle Schnitte. Nur wenige Anbieter werden aber „schnelle Schnitte“ in die Beschreibung einsetzen. Und genau hier kann KI mit Bildanalyse in der nahen Zukunft sehr helfen.